Leseempfehlungen unserer Bibliothek

Stiller Studienort mit Blick auf Sankt Peter

Leseempfehlungen

Was ist ein Sanpietrino? Ein "kleiner" Arbeiter im knochentrockenen Weinberg des Vatikans, ein Dienstleister per Hand, ein Anpacker, Möbelschlepper, Sachenreparierer, Aufpasser, Handwerker für dies und jenes und alles. Massimo Bonanni, der noch jüngst die uralten Möbel des RIGG, auf denen sich mutmaßlich schon Anton de Waal, Franz Joseph Dölger und Theodor Klauser geräkelt haben, sozusagen neu gemacht hat, brachte nun seine Erinnerungen als Sanpietrino im Dienst von fünf Päpsten von Paul VI. über Johannes Paul I., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. (hier Leseprobe) bis zur amtierenden Heiligkeit zu Papier: "Un Sanpietrino al servizio di cinque papi" (2019). 

Signor Massimo erzählt sein Leben aus dem Innersten des Vatikans von seiner Aufnahme bis zu seiner Pensionierung. Er schildert die Aufgaben der Sanpietrini, ihren Tagesablauf, die technische Entwicklung und viele wichtige Aktionen, etwa während der Heiligen Jahre. Dazu ist der Band reich bebildert. Das Buch gehört in jede "Vatikanisten-Bibliothek", dürfte aber schwer zu beschaffen sein (Edizioni Tipografia Marina, ISBN 978-88-943379-5-2). 

 

Man kann vieles über Jerusalem lesen. Wir haben neulich schon auf Nikodemus Schnabels (deutscher Benediktiner auf dem Sion) Buch Zuhause im Niemandsland hingewiesen. Aber wer das genuine, frühchristliche, frühbyzantinische Jerusalem kennen lernen will, jene pulsierende Heilige Stadt, deren Rythmus nicht durch Tourismus, sondern durch Liturgie und Gottesdienst bestimmt wurde, der muss sich an eine Frau wenden: die "Pilgernonne" Egeria, die gegen Ende des 4. Jahrhunderts drei Jahre lang von einer Kirche zur anderen gepilgert ist und minutiös alles beschreibt.

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Michael Lapidge hat in seiner jüngsten Veröffentlichung The Roman Martyrs 40 römische Märtyrerlegenden der Spätantike und des frühen Mittelalters ins Englische übersetzt und kommentiert. Der Band mit 733 Seiten stellt eine wichtige Hilfe für künftige Studien dar. Allerdings bietet Lapidge keinen lateinischen Text und folgt keineswegs einer einzigen Handschrift, sondern mischt zuweilen die Texte, so dass die Textgrundlage im Detail nicht nachvollziehbar ist. Immerhin stellt er jeder Legende eine Einleitung voran, in der er auch die Text-Problematik behandelt. Insgesamt handelt es sich um ein sehr gründlich gearbeitetes Werk mit wissenschaftlichem Anspruch. Lapidge hat auch die Veröffentlichungen des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana ausführlich berücksichtigt und nimmt sogar deutsche Publikationen zur Kenntnis. 

Tamara Scheer, österreichische Militärhistorikerin und RIGG-Mitglied, hat ein höchst unterhaltsames Buch über vergessene Habsburger Wörter und Redewendungen vorgelegt: Von Friedensfurien und dalmatinischen Küstenrehen. Da geht es um Blumenteufel, Ce Vau Ha, Entenabende, Wendenpriester und Wiener Krankheit. Die vielsprachige Autorin gibt ein beredtes Zeugnis vom Habsburgerreich, in dem es nicht nur elf Sprachen und viele Dialekte gab, sondern eben auch eine Art Habsburgerisch, ein Wortschatz, den alle Völker innerhalb ihrer transnationalen Alltagserfarhung miteinander teilten. 

Frau Scheer wird vom 22. bis zum 24. Januar 2020 zusammen mit dem RIGG eine Tagung "Transnationalität und Migration" über die deutschen und habsburgischen Priesterkollegien in Rom im 19./20. Jh. durchführen. Interessenten können sich diesen Termin schon einmal vormerken.

Das RIGG-Mitglied Alessandro Bellino, der an der Kath. Universität Mailand seine Doktorarbeit über das Zentrum und den Hl. Stuhl schreibt, legt eine exzellente Studie über den Vatikan und Hitler von 1922 bis 1939 vor (Il Vaticano e Hitler). Als Hitler 1938 Rom besuchte, verließ Pius XI. die Stadt als Zeichen des Protests angesichts eines anderen Kreuzes, das nicht das Kreuz Christi sei. Pius XI. war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und verfolgte unter seinem Staatssekretär Pacelli (seit 1939 Pius XII.) auf diplomatischer Ebener eine systematisch anti-nazistische Strategie, die wenig Spielraum ließ. Bellino zeichnet diese Haltung, die manchen deutschen und österreichischen Bischöfen zu schroff war, aus den Dokumenten nach. Besonders aktuell sind seine Ausführungen über Finanz- und Missbrauchsskandale im deutschen Ordensklerus, die, ob wahr, halbwahr oder frei erfunden, von den Nazis massivst über die Massendmedien unters Volk gebracht wurden, um die öffentliche Meinung gegen die Kirche aufzubringen. Der Hl. Stuhl war damals selber nicht kompromittiert und konnte somit ohne Rücksichten eingreifen. 

Dr. Florian Haider, 2012 bis 2014 Stipendiat am Römischen Institut der Görres-Gesellschaft und inzwischen Priester in Passau, hat seine Münchener Dissertation über den Kölner Dogmatiker Matthias Scheeben im EOS-Verlag veröffentlicht. Die Tagespost bringt darüber einen Beitrag. Darin wird erläutert, wie Scheeben die verbreitete Rahner-Theologie, den Immanentismus und ein befreiungstheologisches Volk Gottes-Verständnis überwinden kann. Scheeben starb im Jahr der Gründung des RIGG: 1888.

Gerhard Franke hat in der Theologischen Revue eine Rezension zu den vier Tagungsbänden zur Ausstellung "Die Päpste" (Mannheim) veröffentlicht, in der er auch das RIGG freundlich erwähnt, das eine der Tagungen beherbergt hat. Nimmt man zu den vier kleinformatigen Tagungsbänden noch den großformatigen Ausstellungskatalog hinzu, die alle im Schnell und Steiner-Verlag erschienen sind, so hat man eine kompakte und packende Papstgeschichte beisammen, reich illustriert. Wer anschaulich Papstgeschichte lesen will, sollte sich diese Bände kaufen, solange sie noch zu erwerben sind. Die akademische Papstgeschichte, soweit sie überhaupt noch an der Universität vorkommt, wird diese Bände noch lange als Rettungsanker zur Hand nehmen (hier bestellen).  

Herman H. Schwedt, eines der fleißigsten Mitglieder des RIGG, der schon 1980 im 37. Supplementband der Römischen Quartalschrift seine erste große Arbeit über die römische Inquisition (Prozess Georg Hermes) veröffentlicht hat, hat nun im 62. und 64. Supplementband (2013, 2017) seinem Lebenswerk die Krone aufgesetzt, indem er auf 1000 Seiten alle Personen, die zwischen 1542 und 1700 in der römischen Inquisition gearbeitet haben, detailliert aufführt (biographische Daten, Karriere, Publikationen und Studien über die betr. Personen). Damit hat er ein immenses Werk vorgelegt, das für sämtliche Forschungen zur Rom- und Papstgeschichte der Neuzeit unverzichtbar sein wird. Es wird für Rom-affine Bibibliotheken dringend empfohlen, beide Werke zu erwerben, bevor sie vergriffen sind. Hier finden Sie eine Buchbesprechung von Jean-Louis Quantin.

Hier zu Schwedts Inquisitionsbüchern bei Herder

Im Verlag Schnell & Steiner erschien jüngst ein Bildband über den 1569 bis 1576 geschaffenen Bildschmuck der Schlosskapelle von Celle. Die praktisch vollständig erhaltene Ausstattung folgt einem einheitlichen lutherischen Programm. Es zeigt sich einmal mehr, dass das genuine Luthertum keine Aversion gegen Sakralkunst hegte, sondern diese in den Dienst der neuen Lehre stellte. Man mag sich täuschen, aber in der Art der Buntdekoration der Wände und des Aufbaus der Stallungen, Emporen und Ehrenlogen scheint die Raumgestaltung einen erstaunlichen Einfluss römischer Grotesken-Imitation (Girlanden, Architekturen) aufzuweisen. Für die Liturgie ist interessant, dass der Altar noch ganz in der katholischen Tradition gestaltet ist. Er könnte problemlos für das katholische Messopfer dienen: Er ist exakt geostet und hat als Hauptbild des Triptychons die Kreuzigung.    

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Altar und Kirche - Prinzipien christlicher Liturgie (Schnell & Steiner, 2019)

Ein Altar ist eine Opferstätte oder ein Opfertisch als Verehrungsstätte für Gottheiten (Wikipedia). Ob das, was die Christen heute im Gottesdienst verwenden, ein Altar sein darf, darüber streiten sich die Konfessionen. Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils steht jedenfalls der Altar im Mittelpunkt vieler Neugestaltungen katholischer Kirchenräume. Dabei orientiert man sich gern an der Frühen Kirche. Das Konzil verweist nämlich auf die „Norm der Väter“. Doch wie lässt sich das mit der weit verbreiteten Meinung vereinbaren, das Christentum habe anfangs keinen Kult und keine Opfer gekannt, sondern nur Liebes- und Sündermähler, in Hauskirchen begangen? Erst spät, seit Kaiser Konstantin, habe sich ein regelrechter Staatskult mit Opfern, Altären und prachtvollen Sakralräumen herausgebildet, und an diesem historischen Ballast leide die Kirche heute noch. Aber stimmt das wirklich? Oder sind das nicht eher Klischees, die man kritisch hinterfragen muss? Der vorliegende Band schlägt einige Schneisen in das Dickicht und kommt zu ebenso überraschenden wie anregenden Ergebnissen.

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Weitere Bücher von Stefan Heid zur Liturgie: