Gregor Hannappel: Der Prophet Daniel in der frühen Bildkunst
Dr. Gregor Hannappel hat vor drei Jahrzehnten an der Universität Bonn Anglistik und Theologie studiert und wurde durch Professor Ernst Dassmann auf die Kirchenväter und frühchristliche Kunst aufmerksam. Dassmann hatte sich in seiner Habilitationsschrift zur früchristlichen Buße mit Daniel befasst.
Hannappel ist dann in den Schuldienst eingetreten, ist Gymnasiallehrer, Referent in der Hauptabteilung Schule/Hochschule und Dozent für Religionspädagogik im Erzbistum Köln. 2024 wurde er an der Vinzenz Pallotti University (Hochschule der Pallottiner in Vallendar) promoviert.
Seine von Günter Riße betreute Dissertation ist nun vom Verlag Herder unter dem Titel "Wirkung zeigen - Anschauung des Diachronen. Zum Verhältnis von Bild und Text am Beispiel der frühchristlichen Danielikonographie" veröffentlicht worden.
Als Pädagoge interessiert sich Hannappel für die "Sprache" und "Kommunikation" des Bildes im Vergleich mit der Kommunikation durch Sprache und in Anknüpfung an zeitgenössische sprach- und kommunikationswissenschaftliche Theorien. Sozusagen das Demonstrationsobjekt ist die Darstellung des alttestamentlichen Propheten Daniel in der Löwengrube (Dan 6,2-29) in der frühchristlichen Kunst.
Hannappel zeigt in seiner fast 500seitigen Arbeit, die ein hohes Reflexionsniveau aufweist und daher durchaus keine schnelle Lektüre darstellt, auf, dass man biblische Darstellungen in frühchristlicher Zeit keineswegs einfach als "biblia pauperum" auffassen darf. Sie sind also nicht einfach Verbildlichung von Text für den leseunkundigen Betrachter.
Bilder lösen vielmehr eine sehr vielseitige Kommunikation aus und setzen natürlich auch eine schriftlich gestützte Interpretationskultur voraus, ohne in dieser aufzugehen. Das hat auch mit dem sonstigen Einsatz von Bildern in der Spätantike zu tun. Hannappel weist hier immer wieder auf die Rolle des antiken Theaters hin, in dem Text und Bild zusammenwirken. Ein ähnlich dynamisches Zusammenwirken muss man auch bei scheinbar isolierten Bildern voraussetzen.
Dabei ist die Diachronik eine Grundkategorie. Bilder konservieren Erinnerung "durch die Zeiten hindurch", sie sind selber Erinnerungsträger im vollen Sinn, d.h. sie konservieren nicht einfach textliche Erinnerung, sondern stellen selber Inhalte dar, die eigene Traditionen begründen.
Tradition gibt es nicht ohne Traditionsträger. Das Bild selbst stellt in doppeltem Sinne einen Traditionsträger dar: Jedes Bild, das als Einzelobjekt über Jahrhunderte der Betrachtung ausgesetzt ist, stellt für sich genommen eine Zeitkontinuität her. Indem jedes Bildmotiv aber selber aus einer Bildtradition kommt und diese fortsetzt, insofern etwa das Daniel-Motiv im Laufe der Zeit in verschiedener Weise zur Darstellung gekommen ist, ist jedes Einzelbild Teil einer komplexen Bild-Traditionsgeschichte.
Traditionsträger ist aber nicht nur das Bild, sondern auch der Betrachter, der sozusagen die externe Kontunuität des Bildes herstellt. Diese externe Kontinuität ist verbunden mit der Bildkontinuität, so dass das Gefüge noch komplexer wird. Denn man kann natürlich fragen, ob ein Bildobjekt überhaupt eine Bedeutung und damit Tradition hat, wenn es nicht betrachtet wird. Die Traditionskontinuität besteht doch wohl wesentlich in der Interpretationsgeschichte des Betrachters.
Hannappel geht solchen Überelgungen und vielen anderen Fragen minutiös nach. Er zeichnet die gesamte Auslegungsgeschichte des Motivs "Daniel in der Löwengrube" in der Väterliteratur nach von den frühen Texten bis hin zu Gregor dem Großen. Das konfrontiert er mit der erhaltenen Bildkunst. Dabei zeigt er nicht nur, dass Text und Bild keineswegs ohne Mehrwert kongruent sind. Sondern er kann auch zeigen, wie stark sich die alten Bilder und Kommentare mit neuen Kommunikationstheorien erschließen lassen.
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- Geschrieben von: Stefan Heid
- Kategorie: Leseempfehlungen