Von Ignacio García Lascurain Bernstorff

„Und natürlich, der Campo Santo Teutonico, das Heilige Teutonische Feld im Schatten der Peterskuppel, ein kleiner, feiner Friedhof, wo man, wenn man teutonisch (also zur Not auch Österreicher), katholisch und adelig ist sowie der betreibenden Bruderschaft angehört, gute Chancen hat, in einem der dicht stehenden Grabhügel unterzukommen. Rom kann mehr sein als nur Stadt zum Leben.“

Diese Sätze, ungeachtet ihrer nicht vorhandenen Genauigkeit, findet man in dem im April dieses Jahres zum zweiten aufgelegten Rom. Stadt fürs Leben des Kunsthistorikers Golo Maurer. Das ist eine Lektüre, die sich gut fürs Ferragosto eignet. Man denkt an Rom, ächzt aber nicht unbedingt über der glühenden Hitze der Urbs.

(Un-)freiwillig stellt sich Maurer in der Tradition des silbernen Romjubiläums, wie es insbesondere von den Deutschrömern des späten 19. Jahrhunderts gefeiert wurde, etwa dem Buchhändler und Camerlengo des Campo Santo Teutonico Josef Spithöver oder dem Bankier Adolf von Nast-Kolb. Nun feiert der Autor von Italien als Erlebnis und Vorstellung (2015) nicht das 25-, sondern das 30-jährige Jubiläum seiner Ankunft in der Ewigen Stadt mit einer Beschreibung seines Alltags in Rom. Fotografien illustrieren die genannten Orte: Die große Treppe des Kardinals Polignac über dem Spanischen Platz zum Beispiel, wo die Erzählung beginnt, oder die Messaggero-Ecke unweit des Eingangs zum Traforo, die mehrfach erwähnt wird.

Dies ist eine besonders gute Lektüre, wenn man das Glück hat, in naher Zukunft, in der Gegenwart oder in der Vergangenheit in Rom zu studieren oder mehr als ein paar Monate dort zu forschen, zu arbeiten oder einfach zu leben. Das Leitmotiv des Buches gilt auch für die RIGG-Stipendiaten: ein Schwebezustand der romanità, zwischen nicht mehr Tourist sein und doch immer ein Fremder in der Ewigen Stadt bleiben.
Wie in den Besprechungen im Rundfunk bemerkt, ist das Buch eine äußerst subjektive Erzählung der Romerfahrungen des Verfassers. Seine Gefühle beim Busfahren, seine Bewunderung für den umbertinischen Architekten Gaetano Koch, seine gnadenlose Kritik an Babington’s Tea Room oder seine Distanz zur katholischen Kirche skizzieren sehr persönliche Züge des Autors.

Und doch erkennt man auch objektive Beobachtungen im Sinne einer kollektiven Erfahrung des Lebens in Rom: Die Rede vom degrado der Stadt (wie Maurer vermerkt, mehr als nur Verfall), die Möwen und sicher auch die Essenz der Marmortische. Auch die obligatorische Auseinandersetzung mit Martin Mosebachs Romschriftum gehört in diese Sparte der Objektivität. Jeder, der um Zugang zur Hertziana-Bibliothek bat, gerade bittet oder in naher Zukunft bitten wird, erkennt im folgenden Satz eine wichtige Aufgabe des Autors: „Die Essenz des mediterranen Herrn ruht im Bewusstsein, aus der Fülle der eigenen, auf Privilegien gründenden Ressourcen anderen gefällig sein zu können.“

Sein poetischer Stil, in dem die ganze Wucht des Bildungsbürgertums in Satzkonstruktionen nach Art von Heinrich von Kleist mitschwingt, macht seine wiederholte politische Kritik und seinen knallharten Realismus leicht verdaulich. Gerade diese schonungslos unverfälschte Schilderung eines gegenwärtigen Intellektuellenlebens in der Stadt, die Goethe und Winkelmann grenzenlos bewunderten, macht das Buch zu einem Lesevergnügen für jeden Rom-Interessierten. Schließlich ist Maurers Feststellung, wonach das Bel paese und dessen Hauptstadt durch den „Si-sta-benismo“ am Leben gehalten wird, unbedingt zu unterschreiben.

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