Als Frucht der verordneten Corona-Häuslichkeit haben Bernd Kollmann (Siegen) und Werner Deuse (Köln) die umfangreiche Schrift De inventione sanctae crucis (BHL griechisch-deutsch herausgegeben, eingeleitet und kommentiert. Es ist die erste deutsche Übersetzung.

Die Autoren halten die Schrift - m.E. zurecht - für einheitlich und weisen Sie dem Mönch Alexander aus dem Barnabaskloster bei Salamis auf Zypern zu, der zur Zeit Kaiser Justinians gelebt hat (6. Jh.). Sie halten sie für eine Schrift, die in der Liturgie am Kreuzerhöhungsfest des 14. September verlesen wurde. Denkbar ist natürlich auch, dass die für die Liturgie eigentlich zu lange und zu historische Schrift in den Tagen vor dem Fest in der Mönchsversammlung vorgelesen wurde. 

In einem ersten Teil gehen die Autoren der Kreuzverehrung in historsicher Perspektive nach und halten es für sehr wahrscheinlich, "dass es unter Konstantin dem Großen im Zuge der Jerusalemer Ausgrabungen auf Golgota tatsächlich zur Auffindung eines Holzes kam, das man für dsa Kreuz Jesu hielt" (S. 22). Den Kreuztitel ("INRI"), der heute in S. Croce in Rom aufbewahrt wird, halten sie für ein mittelalterliches Artefakt.  

In einem zweiten Teil gehen die Autoren auf den theologiegeschichtlichen Hintergrund der Schrift, vor allem Arianismus und Origenismus, ein.

Die Schrift ist historisch und theologisch wenig ergiebig, dafür aber als ein typisches Zeitprodukt wahrzunehmen. Es stammt aus dem an sich schon auf Orthodoxie fixierten byzantinischen Mönchsmilieu. Aber das Mönchstum auf Zypern war in der Tradition des Ketzerhammers Epiphanius noch fanatischer. Die Mönche sahen sich als die Wächter der Orthodoxie zwischen Kaisern und Bischöfen. Sie sahen sich auch als die Träger des Wissens und der heiligen Wissenschaft. Die Schrift ist in ihrer byzantinischen Weitschweifigkeit und Überheblichkeit doch typisch in dem Sinne, dass gerade die epische Fülle des historischen Materials zur Geschichte des Heiligen Kreuzes - angefangen von der Schöpfung! - jede Mögllichkeit des Widerspruchs und Zweifels von vornherein vernichten soll. Dem Hörer bleibt nur, vor soviel Bildung in die Knie zu sinken und in das Ja und Amen der Schlussdoxologie einzustimmen.  

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