Paris: Katzen und Märtyrer
von Ignacio García Lascurain Bernstorff
(Vorbemerkung: In unsrer Kategorie "Was ist eigentlich aus .... geworden?" meldet sich hier der ehemalige RIGG-Stipendiat Ignacio García zu Wort, der inzwischen seitens der Diözese Regensburg zu einem einjährigen Studienaufenthalt am berühmten Séminaire des Carmes in Paris entsendet wurde)
Wenn man die alttestamentarische Exegese ein wenig beiseiteschiebt, erkennt man sofort den Schlüssel und den Fuß des Apostels Petrus in der für den französischen Frühbarock charakteristischen Wandtafelbemalung. Die Petrusfigur, die den Weg zur kleinen Johanneskapelle flankiert, welche wie durch ein Wunder die Wirren der Revolution intakt überlebt hat, verweist die Bibliotheksbenutzer selbstverständlich auf Rom. Jene Stadt, die die Gedanken von Lesern wie Louis Duchesne (1843–1922) und Alfred Loisy (1857–1940) in guten wie in schlechten Zeiten intensiv beschäftigt hat.
Hier, am Séminaire des Carmes, befindet man sich im geografischen Herzen des Institut Catholique de Paris und damit auch in der Nähe des Jardin de Luxembourg und der gesamten Stadt. Den Alltag prägt natürlich die stete Auseinandersetzung mit dem katholischen Denken, denn die Facultés Loyola und das Collège des Bernardins liegen fußläufig entfernt, ebenso das EPHE und Teile der Sorbonne.
Die komplexe Wechselbeziehung zwischen Roma und Lutetia (der Name der alten Römer für Paris) zeigt sich auch an den glamourösen Schaufenstern der Rue Grenelle, dem katholischen Flair bei St. Sulpice und dem lebhaften Treiben zwischen St. Germain-des-Près und der Akademie. An deren sagenhaften Flüssen gelegen und seit Jahrzehnten miteinander verbunden, ist Paris immer originell und doch hier und da auch ein Traum von Rom. Beispiele hierfür sind der Triumphbogen der Tuilerien und die Val-de-Grâce, die zugleich die Grenzen der sonntäglichen Joggingrunde markieren.
Und wiederum war das stolze Rom fast niemals versucht, der Traum irgendeiner anderen Stadt zu werden, außer natürlich Paris, wie der Palazzo Doria und die gesamte umbertinische Stadt zeigen. Nicht nur an der berühmten Studie von Austin Gough (1926-1997) sind „Paris and Rome” ein gelungenes Begriffspaar, was sich selbst ergänzt.
Wie früher am Campo Santo — man denke etwa an die Selbstzeugnisse Joseph Ratzingers — erheitern zwei Katzen das Leben: Cacou und Ulysse, der trotz seiner stabilitas loci es jüngst sogar bis zu einem Artikel in der Le Figaro geschafft hat.
Am ehesten wird die Symbiose in der christlichen DNA einige Meter unterhalb der besagten Seminarsbibliothek veranschaulicht. In der 1867 im archäologischen Stil errichteten Krypta (siehe das Foto) befindet sich nicht nur das Grabmal von Frédéric Ozanam (1813–1853), sondern auch die Reliquien der Märtyrer vom September 1792. Hier wurden über hundert Bischöfe, Priester, Diakone und Seminaristen zwischen dem sogenannten „Saal der Schwerter” und dem einstigen Oratorium zu Tode gequält.
Das erinnert mich selbstverständlich an der Situation am Campo Santo Teutonico: Jenseits der in den Pseudo-Katakomben, die erst 1930 abgerissen wurden, implizierten Bewunderung für Giovanni Battista de Rossis Werk, schaut man vom Fenster des Schreibtisches direkt zum Ort des Blutzeugnisses vieler Christen. Hier ist das pädagogische Ideal des „Wohnens wie in Katakomben” tatsächlich noch räumlich erhalten. Zwischen Bibliothek und Krypta gelegen, bringt das Herzensepitaph des Gründers und ebenfalls ermordeten Erzbischofs Denis Affre (1793–1848) dieses Ideal mit den Worten „Doctor – Pastor – Martyr”.
- Details
- Geschrieben von: Stefan Heid
- Kategorie: Aus aller Welt
Römisches Institut der Görres-Gesellschaft


