"Repertorium" ist für die Mittelalterforschung ein magischer Begriff, besonders in Hinsicht auf die Erfassung der unendlichen Aktenbestände im Vatikanarchiv. 2018 fand am Deutschen Historischen Institut eine große Fachtagung statt, die den "Stand der Dinge" nach 125 Jahren Repertoriumsarbeit diskutieren sollte. Nun liegt der wuchtige Band vor, herausgegeben von Claudia Märtl, Irmgard Fees, Andreas Rehberg und Jörg Voigt.

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Die beiden großen, vielbändigen Repertorien - das Repertorium Germanicum (RG) und das Repertorium Poenitentiariae Germanicum - sind der Versuch, den Hundettausenden von Bittgesuchen (Suppliken) kirchlicher Institutionen und Personen aus dem deutschen Reich an den Heiligen Stuhl im 14.-16. Jahrhundert Herr zu werden. Da man diese Masse zumindest bisher nicht einfach veröffentlichen konnte, wurden sie exzerpiert: man schrieb Personen, Orte und Anliegen heraus und erfasste so ca. 100.000 Personen des deutschen Mittelalters.

Heute könnte man einfach alle Akten scannen - könnte man? Nicht zuletzt diese Frage beschäftigte damals die Tagungsteilnehmer., und man darf annehmen, dass man fünf Jahre später schon weiter mit der Antwort bzw. mit den Visionen ist.

Die Tagung wollte aber vor allem auf den großen Nutzen der bisherigen, konventionell erstellten Repertorien hinweisen, deren Erträge noch lange nicht ausgeschöpft sind. Immerhin handelt es sich eben nur um Repertorien: Die Originalquellen müssen dann doch in nicht wenigen Fällen in die Hand genommen werden. Geschichtsschreibung allein aus den Repertorien ist eben nicht möglich; es handelt sich "nur" um "Findbücher", die lediglich das Auffinden der Quellen erheblich erleichtern.  

Der Band bietet reiche Anregungen, wozu die Repertorien dienen können. Natürlich steht am Anfang der magistrale Aufsatz von Arnold Esch, der wie kein anderer den kulturgeschichtlichen Nutzen der Repertorien hervorhebt. Es folgen Beiträge von Ludwig Schmugge, Georg Vogeler, Hedwig Röckelein, Jörg Voigt, Tobias Daniels, Claudia Märtl, Andreas Rehberg und vielen anderen.

Abschließend sei noch die Rolle des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft in der Geschichte des Repertoriumsprojekts erwähnt, die in dem Band nicht vorkommt. Zum Glück - möchte man sagen. Denn die Görres-Gesellschaft spielte hier eine unglückliche Rolle. 

Das Projekt Repertorium Germanicum war nämlich von Anfang an - seit 1892 - ein Zankapfel zwischen dem Preußischen Institut und dem Görres-Institut, die beide dieselben Vatikanbestände "ausbeuten" wollten. Die Görres-Gesellschaft - und hier besonders der spätere Präsident Heinrich Finke - konnte das Maul nicht voll genug bekommen und wollte möglichst viele Pontifikate des 15. Jahrhunderts bearbeiten, womit sie auf groteske Weise ihre Fähigkeiten überschätzte. Besonders der Pontifikat Martins V. hatte es ihr angetan; an ihm hielt sie bis zuletzt fest.

Nach jahrelangem Tauziehen mit den Berliner Verantwortlichen des Preußischen Instituts samt vertraglichen Regelungen endete das Lied damit, dass die Görres-Gesellschaft nicht einen einzigen Repertoriumsband zustande brachte. Am 30. Mai 1904 trug Präsident Graf von Hertling, der inzwischen im Kuratorium des Preußischen Historischen Instituts saß, mit einer förmlichen Kapitulationserklärung alle Ambitionen der Görres-Gesellschaft zu Grabe. 

Das Preußische Institut bzw. heute das DHI kann hingegen auf über 20 Bände RG stolz sein.