Das Fest des Heiligen Stephanus, der 26. Dezember, ist der Namenstag des Direktors. Dr. Albrecht Weiland vom Verlag Schnell & Steiner schenkte deshalb im Vorgriff auf den Geburtstag einen Stich von Pietro Ruga (ca. 1772-1850) aus dem Jahr 1827. Der Stich zeigt das Innere der Kirche Santo Stefano Rotondo, die etwas versteckt auf dem Monte Celio liegt.  

Hier möchte ich nicht näher auf den großartigen Stich eingehen, der manche interessanten Details, besonders den enormen barocken Altaraufbau, zeigt. Vielmehr möchte ich nur fragen: Wozu diente diese in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts errichtete Kirche eigentlich?

Die Bischofskirche und längere Zeit einzige Kirche Roms, die von Kaiser Konstantin gestiftete Lateranbasilika, befindet sich am Rande der Stadt, direkt an der Stadtmauer. In einem Halbkreis legten sich darum nach und nach drei Satelittenkirchen, die offenbar zur Aufbewahrung hoch wichtiger Reliquien dienten: Santa Croce für die Kreuzreliquie (wohl schon unter Kaiser Konstantin) - Santa Maria Maggiore für die Krippenreliquie (1. Hälfte 5. Jh.) - Santo Stefano Rotondo für die Stephanusreliquien (innerhalb der Stadt wohl nicht Körperreliquien, sondern die Steine, mit denen er gesteinigt wurde). 

Der Lateran schuf sich so einen heiligen Bezirk von Wallfahrtskirchen. Der Lateran selber besaß wohl keine Reliquien, jedenfalls sicher keine Körperreliquien. Die Laterankirche war dem Erlöser geweiht, und so lag es nahe, die Reliquien des Erlösers besonders zu verehren. Dazu gehörte die Reliquie seiner Geburt (Santa Maria Maggiore) und seines Todes (Santa Croce). 

Aber wie fügt sich Santo Stefano Rotondo ein? Zunächst muss man einen liturgischen Zusammenhang feststellen. Der Papst feierte die Stationsliturgie am Karfreitag in Santa Croce, an Weihnachten in Santa Maria Maggiore und am Tag danach, dem 26. Dezember, feierte er den hl. Stephanus in dessen Kirche. Stephanus wird als erster Märtyrer unmittelbar nach dem Geburtsfest des Ersten Zeugen - Christus - gefeiert. Wie der Märtyrer Christus am 25. Dezember im Fleisch geboren wird, so Stephanus am 26. Dezember zum ewigen Leben. Das ist die Logik des römischen Kalenders, der das Kirchenjahr mit Weihnachten beginnen lässt.

Man kann aber noch weitere Überlegungen anstellen, die allerdings vorläufig spekulativ bleiben. Wir wissen von Kirchen Roms, die von sehr reichen Presbytern gestiftet wurden, etwa Santa Pudenziana und Santa Sabina. Aber nie ist davon die Rede, dass eine Kirche Roms von einem Diakon gestiftet wurde. Dabei waren die Diakone wohl noch viel reicher, zumindest standen sie prestigemäßig weit über den Presbytern. Denn es gab immer nur sieben Diakone. Sie bildeten ein exklusives Kollegium, aus dem praktisch immer der Papst gewählt wurde. Die sieben Diakone verwalteten die sieben Regionen Roms. Sie hatten also die Aufsicht über die beachtlichen Güter und Gelder der Kirche Roms.

Ist es da abwegig anzunehmen, dass Santo Stefano Rotondo vom Kollegium der Diakone sozusagen als die Kirche der Diakone gestiftet wurde? Nur Presbyter konnten Titelkirchen haben, nicht die Diakone, weil sie überregional agierten. Aber Santo Stefano Rotondo fungierte womöglich als "ihre" Kirche. Dafür spricht, dass Stephanus ja nicht nur der erste Märtyrer, sondern auch der erste Diakon der Kirche ist. Die Apostelgeschichte erwähnt ihn jedenfalls als den ersten der sieben Diakone. Was lag da näher, als dass die Diakone, die an den Geldtöpfen der Kirche Roms saßen, sich eine solche prachtvolle, außergewöhnliche Kirche schufen, die zweifellos keinerlei seelsorglichem Zweck, sondern allein der Verehrung des Erzdiakons Stephanus diente?

Die Architektur der Kirche ist so seltsam, dass man darin einen Hinweis genau auf diesen Sachverhalt sehen kann. Denn die Rundkirche hat acht Segmente. In sieben Segmente konnten also die sieben Gabenaltäre der sieben Regionen aufgestellt werden, über die die sieben Diakone regierten. Solche Altäre gab es jedenfalls in der Lateranbasilika. Das achte Segmente diente dann womöglich für den Hauptaltar.  Damit würde sich jedenfalls die Struktur der Kirche und ihrer Eingänge erklären lassen.  

Mehr dazu bei S. Heid, Hic fecit ordinationes. Der Nutzen der Weihestatistiken des Liber pontificalis für die Kirchengeschichte Roms, in: K. Herbers / M. Simperl (Hg.), Das Buch der Päpste - Liber pontificalis. Ein Schlüsseldokument europäischer Geschichte (Freiburg i.Br. 2020) 157-217, hier 203-204.