Egeria schildert am Ende des 4. Jahrhunderts den Donnerstag der Karwoche:

"Am Donnerstag geschieht in der Anastasis vom ersten Hanenschreib bis zum Morgen alles so wie gewöhnlich - ähnlich auch zur Terz und Sext. Zur achten Stunde aber versammelt sich das ganze Volk wie gewöhnlich im Martyrium, jedoch früher als an den anderen Tagen, weil auch die Entlassung früher erfolgen muss. Deshalb geschieht, wenn das Volk versammelt ist, was zu geschehen hat.

An diesem Tag werden die Gaben im Martyrium dargebracht und die Entlassung erfolgt dort etwa um die zehnte Stunde (16 Uhr). Bevor aber die Entlassung erfolgt, erhebt der Archidiakon seine Stimme und sagt: "Lasst uns alle in der ersten Stunde der Nacht (18 Uhr) in der Kirche, die in Eleona steht, zusammenkommen".

Nach der Entlassung aus dem Martyrium geht man hinter das Kreuz (auf dem Golgotha), rezitiert dort nur einen Hymnus, spricht ein Gebet und der Bischof bringt dort die Gaben dar, und alle kommunizieren. Mit Ausnahme dieses einen Tages werden nämlich das ganze Jahr hindurch niemals hinter dem Kreuz die Gaben dargebracht, nur an diesem Tag. Ist dort die Entlassung erfolgt, geht man zur Anastasis, betet, die Katechumenen werden wie gewöhnlich gesegnet, auch die Gläubigen, und dann erfolgt die Entlassung. Dann beeilt sich jeder, nach Hause zu kommen, um zu essen, weil alle sofort nach dem Essen nach Eleona in die Kirche gehen, in der die Höhe ist, in der an diesem Tag der Herr mit den Aposteln war.

Dort werden etwa bis zur fünften Nachtstunde (23 Uhr) fortwährend zu Tag und Ort passende Hymnen und Antiphonen rezitiert, genauso werden auch Lesungen vorgetragen; dazwischen wird gebetet. Es werden auch diejenigen Stellen aus dem Evangelium gelesen, in denen der Herr zu seinen Jüngern sprach an dem Tag, an dem er in eben der Höhle saß, die sich in dieser Kirche befindet.

Etwa zur sechsten Nachstunde (24 Uhr) geht man mit Hymnen zum Imbomon hinauf, an den Ort, wo der Herr in den Himmel auffuhr. Dort werden wieder genauso zum Tag passende Lesungen, Hymnen und Antiphonen rezitiert, auch die Gebete, die erfolgen und die der Bischof spricht, spricht er immer passend zu Tag und Ort". (nach Georg Röwekamp, Egeria / Itinerarium).

Die Liturgie des Gründonnerstags und die des Karfreitags, die sich ohne Pause anschließt, ist äußerst intensiv. Der besondere Charakter der Jerusalemer Liturgie wird hier deutlich, wie ihn Egeria immer wieder betont: dass nämlich am historischen Ort die Evangelientexte gelesen werden, die das dazu passende Geschehen schildern: "passend zu Tag und Ort"  (orationes diei et loco aptae). Damit entstand also eine besondere Art der Stationsliturgie, die es nur in Jerusalem geben konnte: Man musste immer zu den verschiedenen authentischen Orten der Passion Christi laufen und dort die entsprechende Liturgie feiern. 

Am Gründonnerstag wird erst - wahrscheinlich von einem Presbyter - eine Messe in der großen Basilika (Martyrium) gehalten, bei der "das Volk" anwesend ist, aber nicht kommuniziert. Danach wird an diesem einzigen Tag im Jahr auf dem Golgota, wo nicht viel Platz ist und wohl eigens ein Altar aufgestellt wird, vom Bischof selbst die Messe gefeiert. Es ist ein Privileg, dass allein der Bischof Jerusalems auf dem Golgota die Messe feiert kann, ähnlich wie in Rom der Papst das Privileg besaß, als einziger direkt über den Apostelgräbern die Messe zu feiern (siehe Heid, Altar und Kirche, 303). Bei der Messfeier auf dem Golgota kommunizieren "alle". Das ist aber jetzt offenbar nicht mehr das "Volk", sondern nur noch die (wenigen) Anwesenden. Denn das Volk war nach der Messe im Martyrium entlassen worden. Die unverwüstlichen Mönche, Jungfrauen und Kleriker feierten jedoch zusammen nachmittags mit dem Bischof auf dem engen Raum hinter dem Golgotha eine weitere Messe, bei der sie dann auch kommunizierten. Sie haben jetzt nur eine kurze Mittagspause, um rechtzeitig wieder zur Abendliturgie auf dem Ölberg zu sein. 

Am Abend in der Eleonakirche auf dem Ölberg werden die langen Abschiedsreden nach Johannes (Kap. 13-18) gelesen. 

Dann geht man auf den Imbomon, also wo später die Himmelfahrtskirche stand, und liest Lk 22 mit dem Gebet Jesu im Garten Gethsemani. Das "Volk" ist bei dieser Liturgie nicht mehr dabei. Es stößt erst wieder am Karfreitag morgen mit dem Bischof dazu.

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