Ein bemerkenswerter Artikel des Christlichen Archäologen Philipp Niewöhner (Göttingen) in der neuesten Byzantinischen Zeitschrift  (Campo Santo Teutonico, Sign. H 34) über "Byzantinisch oder germanisch? Zur Ambivalenz wilhelminischer Mosaiken am Beispiel der Erlöserkirche in Bad Homburg" (BZ 223, 2020, 905-922) hat mich an meine Schulzeit am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium erinnert (Liste der Absolventen der KFS). Wenn ich recht entsinne, war ich nur ein einziges Mal in der Erlöserkirche, nämlich in der Unterstufe, als der Kinderchor das Agnus Dei der Matthäus-Passion mitsingen musste (wohl an einem Karfreitag). 

Die Bad Homburger Erlöserkirche ist "einschließlich der hölzernen Bestuhlung und kaiserlichen Sessel so vollständig und unversehrt erhalten wie kaum ein anderes altes Gebäude in Deutschland" (921). Niewöhner schreibt nun, dass die zwischren 1903 und 1908 auf Wunsch Wilhelms II. errichtete neo-romanische Kirche mit ihrem Mosaikschmuck im normannisch-sizilianischen Stil (Palazzo Reale, Palermo) keineswegs einfachhin als neo-byzantinisch gelten kann und dass Wilhelms Intention und Interpretation des Bau- und Kunststils germanisch war. Er sah darin das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und nicht etwa Byzanz repräsentiert. Es ging Wilhelm nicht um eine schwärmerische Byzanz-Begeisterung eines Ludwig von Bayern, sondern um eine "ausgeklügelte, rassistische und chauvinistische Programmatik" (920). Ob man diesem harschen Urteil restlos folgen muss, sei dahingestellt; in historischer Perspektive muss man den Bildschmuck der Kirche sicher schärfer betrachten, als es das fromme Auge tut.

S.Heid