Prof. Daniel Cardó, der in den USA Patristik und LIturgie lehrt, hat in Cambridge University Press eine zugleich wissenschaftlich solide wie spirituell reichhaltige Studie zu einem präzisen, letztlich von Benedikt XVI. angestoßenen Aspekt der Eucharistiefeier vorgelegt: The Cross and the Eucharist in Early Christianity. A Theological and Liturgical Investigation (2019). In der katholischen Theologie ist ein heftiger Kampf gegen das Kreuz auf dem Altar entbrannt, was doch ein wenig verwundern muss. Ein solcher postkonziliarer Bildersturm hätte auch und gerade Martin Luther auf die Palme gebracht, der bekanntlich stets das Abendmahl an einem Altar zum Kreuz hin zelebriert hat, ob dieses nun als Objekt auf dem Altar stand oder auf dem Tafelbild hinter dem Altar dargestellt war. 

Ausgerechnet also dieser für den ökumenischen Dialog so wichtige Bezug der Handlung am Altar zum Kreuz wird nun bekämpft. Dazu hat nun Cardó aus der gesamten Väter- und Liturgieliteratur des ersten Jahrtausends Aussagen zusammengetragen, die nachdrücklich unterstreichen, dass die Eucharistie die liturgische Feier der Kreuzigung und Auferstehung Christi ist, für die wiederum das Kreuz steht. Es gibt einen strikt theologischen und liturgischen Bezug zwischen der Kreuzigung Christi und der Handlung am Altar.

Man kann sich angesichts der Fülle der Belege nur wundern, wie man von hier aus am Altarkreuz Anstoß nehmen kann. Es gehört zur typischen (Fach-)Blindheit der Theologie, nicht das für jeden Gläubigen und sogar Nichtgläubigen Offensichtliche nicht sehen zu wollen, dass nämlich das Kruzifix auf oder über dem Altar ohne jede weitere Erklärung sagt: Hier geschieht eine Handlung, die wie auch immer mit der Kreuzigung des Herrn zu tun hat. Das Kreuz ist nun einmal, wie Cardó zurecht feststellt, seit dem 2. Jahrhundert  d a s  Christuszeichen schlechthin. 

Wenn dagegen einige behaupten, weil schon der Altar Christus repräsentiere und weil auch der Priester Christus repräsentiere, so dass man kein Kreuz mehr als Christus-Symbol auf dem Altar brauche, so kann das mehrfach nicht überzeugen. Erstens kann man mit dieser Argumentation dann auch den Altar oder den Priester abschaffen, damit möglichst nur einmal Christus dargestellt wird. Zweitens ist es ein klassisches Prinzip der Liturgie, dass es zu einer Anreicherung und Überlagerung von Riten und Symbolen kommt, die in gewisser Weise auch die Gnadenwirkung erhöhen sollen, so dass es völlig berechtigt ist, wenn Christus ein-, zwei- oder dreimal dargestellt wird. Drittens ist der Priester oder Altar aus sich heraus nicht als Symbol Christi erkennbar; es muss erst erklärt werden, weil es sich um keine sprechenden Zeichen handelt. Selbst dass der Priester ein sonderliches Gewand trägt, macht ihn nicht zu Christus, sondern nur zum Sonderling. Damit man im Priester Christus sieht, macht man heutzutage fast immer ein Kreuz auf die Kasel. Muss das Kreuz auf der Kasel jetzt also entfernt werden, damit es zu keiner Doppelung kommt?

Cardós besonnenes, auf Ausgleich bedachtes Buch ist sehr zu empfehlen, weil es verschüttet gegangene Selbstverständlichkeiten in klarer Sprache und klarem Aufbau neu begründet, und zwar nicht mit phantasievollen Überlegungen, sondern Stück für Stück aus den authentischen Texten selbst heraus, und zwar den lateinischen wie den griechischen, die in korrekten Übersetzungen vorgelegt werden. Es zeigt sich einmal mehr, dass nur mit guten Latein- und Griechischkenntnissen die Theologie noch soliden Boden unter die Füße bekommen kann. 

Das Buch beschränkt sich auf Literatur, aber man könnte es auch aus dem Bildschatz der Kirche heraus anreichern. Das hätte den Rahmen gesprengt. Es sei aber doch daran erinnert, dass Papst Benedikt XVI., wenn er das Kreuz so sichtbar auf den Altar stellen ließ, was auch sein Nachfolger beibehält, eben gerade das Kreuz hochhalten will. Er steht damit in bester Tradition. Denn wohl schon im 4. Jahrhundert war ein Altar über dem Petrusgrab errichtet, auf dem ausschließlich der Papst - bei wenigen Gelegenheiten des Jahres - zelebrieren durfte. Dieser Altar war etwas ungewöhnlich: Er befand sich in einer Art Nische, die nachweislich ein Mosaik mit einem zentralen Kreuz aufwies. Neben dem Kreuz standen zwei Gestalten, entweder zwei Engel oder - wesentlich wahrscheinlicher - Petrus und Paulus (Altar und Kirche, S. 297). Dieses so prominente Mosaikkreuz direkt am Altar, auf das der Papst bei der Zelebration blickte, hatte zweifellos Vorbildcharakter auch für andere Kirchen.  

S.Heid