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Ein hartnäckiger Wissenschaftsmythos, der sich seit der vorigen Jahrhundertwende eingeschlichen hat und seit den 1980er Jahren die theologische Bühne beherrscht, besteht in der Vorstellung, die Christen hätten sich ursprünglich in allen Städten dezentral in Hausgemeinden organisiert und dort - mehr oder weniger unkoordiniert - im erweiterten Familienkreis die Eucharistie gefeiert. Man hält das für so plausibel, dass niemand mehr fragt, ob es dafür überhaupt stichhaltige Belege gibt. Paulus spricht aber in seinen Briefen gerade nicht, wie immer wieder behauptet wird, von Hausgemeinden mit eigener Eucharistiefeier, und nicht einmal den Begriff "Hauskirche" gibt es im frühchristlichen Sprachgebrauch.

Vielmehr gab es in jeder Stadt nur das einheitlich agierende Presbyterkollegium bzw. - seit dem 2. Jahrhundert überall - den Ortsbischof, und in allen Städten gab es sonntags nur die eine Eucharistiefeier aller Christen mit dem gesamten Klerus. Wie viele Christen einer Stadt daran teilnahmen, wissen wir nicht, möglicherweise genauso wenige wie heute, vielleicht 3-5%?? Jedenfalls steht nirgends geschrieben, dass die ersten Christen eifriger waren als die heutigen. Schon der Hebräerbrief mahnt (um 60-70?) die Gläubigen, doch den Gottesdienst zu besuchen. 

Auch in der Großstadt Rom sind für das 1. bis 3. Jahrhundert keinerlei Hauskirchen nachgewiesen. Auch hier spricht alles dafür, dass die gesamte Stadtgemeinde sich zumindest und vor allem für die Eucharistiefeier an einem Ort traf, der dafür geeignet war. So schwierig es auch sein mag, sich das vorzustellen, es gibt schlichtweg keinerlei sicheren Hinweis auf eine Vielzahl von Eucharistieorten. Selbst die theologischen Sondergruppen (Häretiker) scheinen sich anfangs an der bischöflichen Eucharistie orientiert zu haben, weil sie vom Bischof anerkannt werden wollten. 

Als Beweis für Hauskirchen in Rom wurde und wir immer wieder auf den Fall der Quartodezimaner verwiesen. Tatsächlich könnte allein dieser Fall das Potential haben, den vermeintlichen Hauskirchen auf die Spur zu kommen. Aber auch hier ist Fehlanzeige. Die sog. Quartodezimaner waren Christen, die Ostern nicht am Sonntag, sondern am 14. Nisan feierten. Es wird nun von praktisch allen Forschern behauptet, es habe in Rom eine regelrechte Gemeinde aus Immigranten aus Kleinasien (Westtürkei) gegeben, die eine eigene Liturgie feierten, die sich von der Liturgie des Bischofs unterschied. Der römische Bischof habe diese abweichende Liturgie der "Hausgemeinde" der Quartodezimaner nicht nur geduldet, sondern begrüßt.

Eine solche Behauptung beruht indes auf einer fehlerhaften Übersetzung der entsprechenden griechischen Texte bei Irenäus und Eusebius. Tatsächlich gibt es keinen Anhaltspunkt für eine solche quartodezimanisch-kleinasiatische Sondergemeinde in Rom, wie ein aktueller Beitrag in der Römischen Quartalschrift zeigt.

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