Karl Heinrich Schäfer,  der am längsten dienende Assistent des Römischen Instiuts der Görres-Gesellschaft (von 1903 bis 1914) und auch einer der fleißigsten, hat wie kaum ein anderer das reale Leben des Mittelalters erforscht. In einem Vortrag, den er im Oktober 1911 auf der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft in Hildesheim hielt und der im selben Jahr in der Römischen Quartalschrift veröffentlicht wurde, befasst er sich detailliert mit den Lebensmittelpreisen und Arbeitslöhnen an der päpstlichen Kurie im 14. Jahrhundert. Daraus im Folgenden ein lesenswerter Abschnitt:

"Wie stand es nun mit Tagelohn und Gehältern im 14. Jahrhundert an der päpstlichen Kurie? Waren sie erheblich geringer als heutzutage, wie man bisher annahm?

Um 1320 erhielten die Bauhandwerker täglich 1/9 bis 2/9 flor. = Mark 1,10 bis 2,20 heutigen Münzwertes, d.h. bei vierfacher Kaufkraft des damaligen Geldes Mark 4,40 bis 8,80 täglich. Maler und Anstreicher bekamen 1/4 flor. = Mark 2,50 Münzwert bei einer Kaufkraft von Mark 10, Stukateure noch etwas mehr. Blosse Handlanger erhielten meist 4/9 flor. Ungelernte Arbeiter und Frauen für Kehren, Rechen, Reinigen und ähnliche leichte Arbeiten täglich nur 8 Vienneser Denare, das sind etwa Mark 1,80 heutiger Kaufkraft. Gartenarbeiter verdienten täglich 1/8 flor. = Mark 1,25 Münzwert, bei vierfacher Kaufkraft also 5 Mark. Gartenarbeiterinnen erhielten bloss 15 Denare = 50 Pfennig Münzwert (= 2 Mark heutiger Kaufkraft).

Bei alledem ist zu bedenken, dass Arbeiter und Handwerker, die an der päpstlichen Kurie im Tagelohn waren, auch ihre Essen aus der grossen Küche erhielten.

Ein Handwerker hatte also, wenn wir dsa Jahr zu 300 Arbeitstagen rechnen, bis zu 70 flor., ein Handlanger 30 flor. Verdienst ohne das Essen. Wichtig zum Vergleiche ist, dass ein Kanonikat oder eine Vikarie normaler Weise auch nur 30 flor. jährlich einbrachte.

Wir sehen demnach, die Tagelöhne waren durchaus nicht niedriger, vielleicht sogar noch günstiger als heute. Wichtig ist, dass diese verschiedenen Taglöhne das ganze 14. Jahrhundert lang wesentlich die gleichen geblieben sind (trotz der Pest 1348) ...

Fassen wir unsere Untersuchung zusammen, indem wir Lebensmittelpreise und Mieten mit dem Einkommen von Beamten und Handwerkern wie Taglöhnern im 14. Jahrhundert im Bereich der päpstlichen Kurie vergleichen, so ergiebt sich, dass man damals sein gutes Auskommen hatte und, abgesehen von Gewürz und Geflügel, wie auch von dem höheren Brotpreis, im ganzen billiger lebte als heute, dass vor allem der Arbeitslohn im Grossen und Ganzen gerecht verteilt wurde und der Beamte und Handwerker, Taglöhner und Arbeiter mit seinem täglichen Verdienst in gewissem Sinne besser dastand als heute".

Bei soviel Akribie in der Quellenforschung, die Schäfer walten ließ, stellt sich die Frage: Wer ist heute noch in der Lage, seine Berechnungen nachzuprüfen oder gar zu widerlegen? Interessant ist der kleine Hinweis, dass an der Kurie der Brotpreis höher war. Wie kommt das? Haben da die Bäcker der deutschen Bäckerbruderschaft ihr quasi-Monopol ausgenutzt?