Eines der flottesten wissenschaftlichen Bücher über Rom, das man so lesen kann, ist Golo Maurers Darstellung der Geschichte des Deutschen Kapitols 1817-1918. Es geht um die 100 Jahre, in denen sich Preußen auf dem "Tarpejischen Felsen" eingenistet hatte, und zwar mit dem archäologischen Institut, einem Krankenhaus und der preußischen Gesandtschaft im Palazzo Caffarelli. 

Besonders brisant ist diese Epoche einfach auch deshalb, weil erstaunlicherweise die Deutschen das Herzstück römischer Geschichte - den Kapitolshügel - nur deshalb okkupieren konnten, weil sich die Italiener offenbar nicht dafür interessiert haben bzw. deren Interesse erst im Zuge der italienischen Staatwerdung und der überhitzten Nationalisierung erwachte.

Das herrliche Buch über deutsche Naivität, nationale Präpotenz und den "absehbaren Sturz" vom Tarpejischen Felsen nach dem Ersten Weltkrieg erzählt auch nette Episoden, darunter den gründlich schiefgegangenen Besuch des Kaisers Wilhelm II. 1888 bei Papst Leo XIII. Es ist das Jahr der Gründung des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, das mit diesem penlichen Zwischenfall zum Glück nichts zu tun hat. Wohl aber ist Kaiser Wilhelm bei seinem Besuch am Campo Santo Teutonico vorbeigekommen, ohne freilich dort abzusteigen. 

Was geschah am 12. Oktober 1888? Golo Maurer schreibt (S. 130):

"Zum Eklat kam es während des politisch heiklen Besuches, den der Kaiser dem Papst abstattete. Kurd von Schlözer, der seit 1882 als preußischer Gesandte versuchte, die äußerst gespannten Beziehungen zwischen dem Land Preußen und dem Vatikan zu reparieren, hatte alles minutiös vorbereitet. Um den Papst nicht zu beleidigen, kam Wilhelm nicht direkt vom königlichen Quirinalspalast, wo er wohnte, sondern von Schlözers Residenz im Palazzo Capranica, wo erst einmal ordentlich gefrühstückt und tüchtig getrunken wurde: ,Das Kaiserfrühstück ist vollständig nach Wunsch verlaufen. Es herrschte eine durchwegs fidele Stimmung, zu der der Kaiser sowie Prinz Heinrich den Ton angaben. (Ochsenschwanzsuppe in Tassen - Fisch - Filet - Trüffeln - römische Tauben - Früchte - Käse.) Sekt und Chateau Rauzan schienen den Herren sehr zu schmecken. Nach der Fahrt gab der Kaiser mir bei der Zigarette den großen Roten Adlerorden, den ich zur Fahrt gleich anlegen mußte'.

Derart versorgt fuhr man in offenen Landauern, die man, um bei der Papstvisite nicht die königlich-italienischen Wagen benutzen zu müssen, samt der Pferde aus Berlin mitgebracht hatte, in den Vatikan. Was dort geschah, berichtet Generalstabschef Alfred Graf von Waldersee: ,... Herbert von Bismarck und Wilhelms Bruder Prinz Heinrich hatten mehr zu sich genommen als gut war und hatten auch die Zeit, nachdem der Kaiser gefahren war, noch zu weiterem Trinken ausgenutzt. Sie kamen in sehr geräuschvoller Stimmung in den Vatikan, wurden höflich empfangen und gebeten, in einem Vorsalon zu warten ... Dies gefiel Herbert nicht, in ungeschicktester Weise hat er erklärt, ein preußischer Prinz könne nicht warten, und dann in deutscher Sprache - die natürlich verschiedene Leute des Päpstlichen Hofhaltes sehr gut verstanden - in rohen Ausdrücken sich über das Treiben der Höflinge, Garden pp. ... aufgehalten. Schließlich hat er sich soweit vergangen, mit Gewalt den Eingang zu erzwingen, indem er einen hohen Hofbeamten einfach von der Tür bei Seite geschoben hat. Prinz Heinrich ist darauf hineingegangen und ist leider zu einem Moment gekommen, als die Unterhaltung zwischen Kaiser und Papst gerade angefangen hat warm zu werden. Der Papst hat glatt abgebrochen und haben wir uns wahrscheinlich sehr geschadet. Der Kaiser hat den Vorgang tief beklagt. Der unglaublich tactlose Herbert hat abends am Königlichen Hofe mit seinem Auftreten renomirt und sich in kläglichen Witzeleien über päpstlichen Mummenschanz aufgehalten'".

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